Grausame Spiele
Was soll man schon anfangen mit einem kalten, verregneten Samstagnachmittag? Ich nehme die „Grausamen Spiele“ zur Hand um nur eben mal schnell den Prolog zu lesen:
Die Geschichte ist sehr amerikanisch, ein wenig Teenie, ein wenig Highschool, ein wenig Coming Out, ein wenig Gewalt und natürlich das obligatorische schwule Drama. Eine nette Unterhaltung für zwischendurch halt. Aber Literatur, vegleichbar mit dem „Wolkenatlas“, ein Buch daß mich bewegt und mein Leben verändert wie damals olle Hesse? – Nein sicher nicht.
Gestört werden diese Gedanken nur durch die Feststellung, daß ich soeben Seite 102 beendet habe…
Die „Spiele“ sind irgendwie doch so fesselnd und faszinierend geschrieben, daß man das Buch eben nicht nach acht Seiten Prolog wieder aus der Hand legt, weil man ja erst die „Superguten Tage“ noch zuende lesen muß.
Dieses Buch ist nicht einfach zu lesen, was zum einen damit zusammenhängt, daß alle Personen IMMER Nachnamen haben (Ich kann nicht mal erklären, warum diese Tatsache das Lesen erschwert.), zum anderen daran liegt das Rice eine Vorliebe für lange Schachtelsätze hat (wie ich offensichtlich übrigens auch). Meine Lehrer haben schon immer kritisiert, das meine langen Sätze schlechter Stil seien, in den „Spielen“ merkt man auch warum dies so ist, aber ich kann ebensowenig wie Rice davon lassen.
Auch wenn der Titel zu einer gewissen Grausamkeit verpflichtet, an einigen Stellen geht mir die Brutalität dann doch zu weit, Stellen an denen sie nicht zur Geschichte beiträgt und nur um ihrer selbst willen erscheint. Z.B. finde ich den „Drahtseilakt“ im Glockenturm absolut überzogen, wobei es nicht einmal der Vorgang selbst ist, der mich stört, lediglich die Steigerung der Grausamkeit durch die Verwendung der Drähte ist unnötig.
Wenn auch mein Kopf dieses Buch kritisiert und das eine oder andere zu bemängeln findet, der Bauch ist fasziniert: Ich bin auf rund 100 Seiten drei Stunden lang durch New Orleans gelaufen, habe mich in einer völlig anderen Welt aufgehalten und habe nur die Protagonisten der Geschichte beobachtet.
Mich schon mit den ersten 100 Seiten für drei Stunden so komplett aus meiner Umwelt, meinem Alltag zu entführen schafft kaum ein anderes Buch und kein einziger Film – da soll der Kopf doch mal aufhören zu meckern!